Versicherungs-IT hat noch Luft nach oben
Die Schwächen in der Informationstechnologie sind vor allemdeshalb erstaunlich, weil die Versicherer in den vergangenen Jahren intensiv in die IT investiert haben. Dennoch halten 31 Prozent der Unternehmen ihre eigene IT-Infrastruktur im Marktvergleich für schlechter, und 28 Prozent der Befragten ihre Applikationsentwicklung.
Ein erster Erklärungsansatz dafür ist, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit bei der IT wesentlich höher ist als in anderen Prozessbereichen. Das betrifft die Applikationen ebenso wie die Infrastruktur. Der Aufbau von Expertenwissen und die Weiterentwicklung eigener Lösungen binden sehr viele Ressourcen und sind nicht primär Kernkompetenz einer Versicherungsgesellschaft. Eine Möglichkeit ist, die IT-Infrastruktur und -Entwicklung auszulagern.Das eröffnet dem Versicherer externes Expertenwissen, den Zugang zu neuen Technologien und mehr Flexibilität.
Eine weitere Erklärung für die IT-Schwäche der Versicherungsunternehmen liegt in der aktuellen Veränderung der Kundenbedürfnisse und des -verhaltens im Hinblick auf den Übergangin eine digitale Welt. Erstmals überhaupt haben Kunden die Versicherungsunternehmen zumindest im Bereich der mobilen Kommunikation überholt. Der mögliche Verlust des Kundenzugangs sorgt für Unruhe. Branchenfremde Konkurrenten wie die Fahrzeugindustrie oder Telekommunikationsanbieter wittern hier eine Chance, sich in die Wertschöpfungskette der Assekuranz zu drängen. In der derzeitigen Ausgestaltung des paneuropäischen eCall etwagelten die Telekommunikationsanbieter oder die Fahrzeughersteller als die primären Empfänger der verkehrstelematischen Daten.
Eine dritte mögliche Erklärung schließlich liegt im Kontrollverlust. Denn viele IT-Prozesse werden bereits heute vielfach von externen Dienstleistern betrieben. Dies kann zu einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit führen, weildadurch vermeintliche Abhängigkeiten vom Provider entstehen. Um mit dieser Situation besser umgehen zu können, müssen stetig Informationenvom Provider an die Versicherungsgesellschaft fließen. Daskann das gegenseitige Vertrauen zwischen den Wertschöpfungspartnern erhöhen und ist deswegen auch aus Providersicht von Vorteil.
Die Studie von Adcubum und dem Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallenzeigtaber auch ganz deutlich, wo die Stärken der Assekuranzen liegen. So gaben nahezu zwei von drei Versicherern an, in neun von zehn Wertschöpfungsprozessen mindestens so gut zu sein wie der Markt. Besonders selbstbewusst sind die Unternehmenin puncto Schadenmanagement, Asset Management und Kundenservice: Hier sehen sich 60 Prozent der Unternehmen oder mehr sogar im Vorteil gegenüber dem Wettbewerb.Den eigenen Vertrieb und das Underwriting beurteilen noch rund 50 Prozent besser als den Marktdurchschnitt. Marketing und Kommunikation sowie Produktentwicklung werden von 43 Prozent besser als im Marktvergleich eingestuft.
Fazit: Für die Bereiche IT-Infrastruktur und Applikationsentwicklunggibt es also noch reichlich Luft nach oben.
Von Michael Süß, Geschäftsführer Adcubum Deutschland